

Die neue IT-Führungskraft

Duncan Macdonald sieht sich nicht nur als technikaffiner Mensch.
Er ist Chief Information Officer beim Schweizer Telekommunikationsriesen Sunrise UPC und sieht seine Rolle bei dem 12-Milliarden-Dollar-Unternehmen deshalb nicht nur als Vermittler digitaler Innovationen, sondern auch als Treiber, der Geschäfts- und IT-Führungskräfte auf eine gemeinsame Vision für den Wandel einschwört.
„Eine Unternehmenskultur mit kollaborativen Denkweisen im Zentrum ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen digitalen Transformation“, so Macdonald, der 2016 zu Sunrise UPCs Muttergesellschaft Liberty Global wechselte, nachdem er neun Jahre lang in unterschiedlichen technischen Positionen bei Virgin Media tätig war, die letzten drei Jahre davon als CIO. „Natürlich sind die richtige Technologie und die richtigen Methoden wichtig. Die größte Herausforderung aber besteht darin, etwas in den Köpfen der Menschen in Ihrem Unternehmen zu ändern. Als Führungskraft im digitalen Bereich muss Ihre Vision eine Agenda für einen tiefgreifenden geschäftlichen Wandel vorgeben“. Macdonald ist mit seiner Meinung nicht allein. Er gehört zu einer neuen Generation von Führungskräften im Technologiebereich, die wissen, dass der geschäftliche Bedarf verstanden und alles, was getan und gesagt wird, darauf ausgerichtet werden muss.

„Eine Unternehmenskultur mit kollaborativen Denkweisen im Zentrum ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen digitalen Transformation.“
Laut dem kürzlich veröffentlichten Forschungsbericht Die Zukunft der IT von Pegasystems entwickelt sich die digitale Technologie mit solch unerbittlicher Geschwindigkeit weiter, dass Unternehmen ihre technischen Teams grundlegend anders besetzen und einsetzen müssen. CIOs von heute sollen Teams aufbauen, die technologische Entwicklungen verstehen und sie zum Wettbewerbsvorteil des Unternehmens nutzen können.
Dieser sich immer deutlicher abzeichnende Trend bringt bereits jetzt tiefgreifende Veränderungen in der Welt der Informationstechnologie mit sich. Im Forschungsbericht „Die Zukunft der IT“ wurden beispielsweise 750 globale IT-Führungskräfte befragt, wie sich ihre Arbeit durch die digitale Transformation verändert und wie sich diese seit Beginn der Corona-Pandemie beschleunigt hat. So überrascht es nicht, dass mehr als ein Drittel (38 %) angibt, dass sie heute enger mit anderen Funktionen ihres Unternehmens, einschließlich der Führungsebene, zusammenarbeiten als noch vor zwei Jahren. Inzwischen sagen mehr als zwei Drittel (68 %), dass die digitale Transformation die Abteilungsstrukturen mäßig oder erheblich beeinflusst hat.
Außerdem hat sie Einfluss darauf, welche Kompetenzen am meisten geschätzt werden. Die Umfrageteilnehmer gehen davon aus, dass praktische Fähigkeiten wie Programmieren und Dateneingabe an Bedeutung verlieren, da Cloud-Lösungen, künstliche Intelligenz (KI) und Low-Code-Anwendungen die Prozesse vereinfachen. Über 70 % der Senior Manager sind der Meinung, dass künftige IT-Karrieren eine ständige Umschulung und Weiterbildung in neuen Technologien erfordern. Gleichzeitig wird es wichtig sein, über grundlegende soziale Kompetenzen wie Führungsqualitäten (38 %), Problemlösungsfähigkeiten (37 %) und emotionale Intelligenz (35 %) zu verfügen.

Diese neuen IT-Führungskräfte mit den richtigen Fähigkeiten zu finden, ist nicht einfach, meint Khalid Kark, Geschäftsführer des Deloitte CIO-Programms. Obwohl sich die Unternehmen in einem ständigen Kampf um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befinden, zeigt sich nur zu oft, dass sie Mangelware sind. „Jemanden mit diesen grundlegenden menschlichen Fähigkeiten zu finden und technologisch auszubilden, ist viel einfacher, als Techies dazu zu bringen, über diese Dinge nachzudenken“, erklärt er weiter.
IT-Fachleute sollten jedoch nicht erwarten, dass ihre Firma von sich aus alle nötigen Schulungen anbietet, um mit den sich ändernden Anforderungen Schritt zu halten, warnt Kark. Auch die Beschäftigten müssen ihren Beitrag leisten. „Wenn Technologiefachleute verstehen, wohin die Reise geht, und anfangen, ihre Fähigkeiten auf Dinge zu verlagern, die für Unternehmen wichtig sind, werden viele ihrer Arbeitsplätze erhalten bleiben oder sogar verbessert werden“, fügt er hinzu.
Ein Präsident und CTO eines Versicherungsunternehmens für den Einzelhandel, der im Rahmen des Forschungsberichts „Die Zukunft der IT“ befragt wurde, sagt, dass sein Unternehmen lieber Nachwuchskräfte mit soliden sozialen Kompetenzen sucht, die dann in den bei ihrer Arbeit zu verwendenden Technologien geschult werden. Der CIO eines anderen Unternehmens gibt an, er glaube nicht, dass alle IT-Führungskräfte Technologen sein müssen, da so viel ihrer Tätigkeit mit dem Geschäftsbetrieb zu tun hat.
„Programmieren oder Infrastrukturen zu verwalten, wird immer mehr zur Massenware“, fügt Don Schuerman, CTO von Pegasystems, hinzu. „Hingegen kann man die Fähigkeit, zuzuhören, sich in andere hineinzuversetzen und die Zusammenhänge zwischen Geschäftsbetrieb und innovativem Einsatz von Technologie zu vermitteln, nicht kaufen.“


„Hingegen kann man die Fähigkeit, zuzuhören, sich in andere hineinzuversetzen und die Zusammenhänge zwischen Geschäftsbetrieb und innovativem Einsatz von Technologie zu vermitteln, nicht kaufen.“
Don Schuerman, CTO Pegasystems
Laut der Umfrage wird die Arbeit selbst durch den digitalen Wandel sowohl einfacher als auch anspruchsvoller. Zum einen werden viele Aspekte der technischen Arbeit und der Entscheidungsfindung immer stärker automatisiert, sodass viele niedrigschwellige, sich wiederholende und unnötig zeitaufwendige Tätigkeiten wegfallen werden. So können sich IT-Führungskräfte und -Mitarbeitende auf wichtigere Dinge konzentrieren und einen größeren Mehrwert für ihr Unternehmen schaffen, so die Ergebnisse der Umfrage. Tatsächlich glauben 66 % der Befragten, dass die digitale Transformation ihre Arbeit erleichtern wird, und 57 % sind der Meinung, dass sie zu kreativerem Arbeiten und besseren Entscheidungen führen wird.
Gleichzeitig ist all dieser Fortschritt ein zweischneidiges Schwert, wie die Umfrage zeigt. Bekanntlich führt High-Tech, die mehr Arbeit ermöglicht, unweigerlich zu mehr Arbeit, die erledigt werden muss. Rund 70 % der IT-Führungskräfte und 67 % der Befragten insgesamt geben an, dass die digitale Transformation die Arbeitsbelastung in den letzten zwei Jahren erhöht hat. Auch die Geschwindigkeit der Produktinnovation und der Druck, mit ihr Schritt zu halten, hat sich beschleunigt: Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte gab an, dass sie erwarten, häufiger neue Produktversionen auf den Markt zu bringen.
„Wenn ich alle drei Monate Releases bringe, brauche ich sehr große Builds und muss auf das Beste hoffen“, erklärt ein Versicherungs-CTO. „Kann ich mehrmals am Tag Releases bringen, reichen auch ganz kleine Builds und ich kann beobachten, was passiert.“
Die meisten Führungskräfte scheinen sich nicht an dem hohen Tempo und der zusätzlichen Arbeitsbelastung zu stören, da sie der Meinung sind, dass der zusätzliche Aufwand durch den größeren Beitrag für ihr Unternehmen gerechtfertigt ist, so die Umfrage. Die meisten (70 %) geben beispielsweise an, dass ihnen ihre Führungsrolle dadurch mehr Spaß macht. Vor allem Führungskräfte fühlen sich nach Abschluss von Transformationsprojekten eher wertgeschätzt, so das Ergebnis der Umfrage.
Zwar laufen die Projekte zur digitalen Transformation schon seit mehreren Jahren und haben erst in letzter Zeit aufgrund der Pandemie an Fahrt gewonnen, aber die Befragten sagen, dass der Weg noch lange nicht abgeschlossen ist.
Ein IT-Verantwortlicher der Regierung geht sogar so weit zu sagen, dass diese Entwicklung ewig anhalten wird – ebenso wie ihre Auswirkungen.
„Wenn über die digitale Transformation gesprochen wird, hat man fast den Eindruck, als sei dies eine vorübergehende Phase, die bald zu Ende ist. Aber ich kann mir kaum vorstellen, wie das funktionieren soll“, so der Umfrageteilnehmer. „Wenn alles digitalisiert ist, aktualisieren wir einfach die neuen Versionen dieser Technologien, Produkte und Dienste, sobald sie auf den Markt kommen. Digitale Technologie ist ein ständiger Kreislauf, den wir durchlaufen müssen. Er wird nie enden.“