

Herausfordernde Zeiten für das operative Geschäft

Die letzten zwei Jahre waren für alle Branchen äußerst turbulent. Ein dramatisches Ereignis jagte das andere, fast wie in einem Hollywood-Blockbuster: eine Pandemie, zunehmende Cyberkriminalität, starke Unwetter, Umweltkatastrophen, der Einzug von Robotern in den Geschäftsalltag im Zuge zahlreicher Automatisierungsprojekte und obendrein eine Fülle neuer bürokratischer Compliance- und Datenschutzvorschriften, die selbst einem Action-Held im Kino den Schweiß auf die Stirn treiben würden. In der Realität gilt es aber für alle Protagonisten, einen kühlen Kopf zu bewahren.
So ergeht es auch Amit Dixit, Head of Operational Excellence in der Londoner Europazentrale des Versicherungsunternehmens QBE, für den weiterhin die Kunden im Mittelpunkt stehen: „Der Schlüssel zum Erfolg liegt für uns in der Entwicklung geeigneter Technologien, die den Anforderungen sowohl unserer Kunden als auch unserer internen Teams entsprechen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass Mensch und Maschine harmonisch zusammenarbeiten und gemeinsam optimale Ergebnisse für die Kunden liefern.“
Um die betriebliche Stabilität auch in diesen turbulenten Zeiten aufrechtzuerhalten, hat QBE mithilfe der Robotic Process Automation (RPA) die Bearbeitung von schätzungsweise 30.000 Versicherungsfällen pro Woche automatisiert. Mithilfe der Bots konnte der weltweit tätige Versicherer angesichts großer Personalknappheit rund 50.000 Arbeitsstunden pro Jahr einsparen. Dies entspricht etwa 25 Vollzeitbeschäftigten, die ihre Zeit nun höherwertigen Aufgaben widmen. Auch wurden Abläufe mit Blick auf die Zukunft agiler gestaltet.
Mehr Stabilität angesichts unaufhörlicher Herausforderungen hat heutzutage für die meisten operativen Experten oberste Priorität. Dies belegt die Pega-Studie „The Future of Operations“ von 2022, bei der 750 Führungskräfte aus diversen Branchen befragt wurden, einschließlich Finanz-, Versicherungs- und Gesundheitswesen, Fertigung, öffentlicher Dienst, Life Sciences und Telekommunikation. Die Mehrheit der Befragten sehen in den kommenden drei bis fünf Jahren einen steinigen Weg vor sich. Die immer wichtigere Automatisierung, zunehmende Cyberkriminalität, notwendige ökologische Nachhaltigkeit sowie strenge behördliche Vorschriften erfordern innovative Lösungen, ohne die der ersehnte Erfolg kaum zu erreichen sein wird.
„Ich glaube, in quasi jeder Branche schauen die COOs eher unruhig nach vorn. Jeder möchte möglichst gut für das gewappnet sein, was als Nächstes kommt“, meint Don Schuerman, CTO von Pega. „COVID-19 war nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten Führungskräfte wissen, dass jederzeit weitaus kostspieligere Krisen über uns hereinbrechen können.“


Laut McKinsey gibt es inzwischen alle 3,7 Jahre mindestens einen Monat mit disruptiven Ereignissen. Über ein Jahrzehnt gerechnet können dabei Verluste entstehen, die 45 % eines Jahresgewinns ausmachen.

In der Tat treffen disruptive Ereignisse – und die damit verbundenen Kosten – Unternehmen immer häufiger und gewinnen an Relevanz. Laut McKinsey gibt es inzwischen alle 3,7 Jahre mindestens einen Monat mit disruptiven Ereignissen. Über ein Jahrzehnt gerechnet können dabei Verluste entstehen, die 45 % eines Jahresgewinns ausmachen.
Automatisierte Technologien gelten beispielsweise als einer der disruptivsten Trends, dem sich Unternehmen stellen müssen. Je mehr Verfahren wie künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) sich in der Geschäftswelt etablieren, desto weniger Generalisten werden in der Belegschaft benötigt. Stattdessen werden mehr Stellen für spezialisierte und technisch versierte Fachkräfte entstehen. Gleichzeitig gehen Experten davon aus, dass operative Teams durch KI und ML schrumpfen und möglicherweise sogar komplett in andere Abteilungen eingegliedert werden.
Cyberkriminalität ist ein weiterer wichtiger Störfaktor. Im Jahr 2021 gab es Check Point Research zufolge 50 % mehr Cyberangriffe als im Vorjahr. So überrascht es kaum, dass die von Pega befragten Unternehmen mehrheitlich (59 %) Cyberkriminalität und ‑betrug als größte Herausforderung nannten. Für 43 % hat dieser Punkt beim Entwurf künftiger Betriebsmodelle oberste Priorität.
Die ökologische Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen steht ebenfalls bei 68 % der Befragten aus aller Welt ganz oben auf der Agenda. Die Studie legt den Schluss nahe, dass Investoren, Aktionäre, Angestellte, Behörden und sogar die allgemeine Öffentlichkeit zunehmend Druck auf Unternehmen ausüben und mehr Engagement in diesem Bereich fordern.
Neue Vorschriften von Regierungen und Aufsichtsbehörden zwingen viele Branchen zum Umdenken, wobei die Pega-Studie hier die stärksten Auswirkungen für das Versicherungs- und Finanzwesen zeigt. Insgesamt gehen 64 % der Befragten davon aus, dass die steigende Notwendigkeit für umfassende Governance-Maßnahmen sich in den kommenden Jahren spürbar auf das operative Geschäft auswirken wird.
Um in dieser Flut an disruptiven Veränderungen nicht unterzugehen, sind die von Pega befragten Unternehmen offen für gänzlich neue Geschäftsmodelle. Statt sich beispielsweise auf unzählige Tools, Technologien und Prozesse zur Bewältigung aktueller Herausforderungen zu verlassen, richten die Befragten ihr Augenmerk vermehrt auf Plattformen und andere skalierbare Lösungen, die Geschäftsabläufe generell vereinfachen und für langfristige, unternehmensweite Stabilität sorgen.
Der Pega-Studie zufolge wird die Vorbereitung von Unternehmen auf Herausforderungen in den nächsten drei bis fünf Jahren nicht mehr nur Aufgabe von COOs und ihren Teams sein. Stattdessen kümmern sich künftig mehrere Abteilungen um die unternehmerischer Stabilität – und sorgen für die Einhaltung von Vorschriften, Best Practices im Kampf gegen Cyberkriminalität sowie der Zusagen in Sachen Nachhaltigkeit und Diversität.
Auch die Zusammensetzung von Teams im operativen Geschäft dürfte sich laut Studie deutlich ändern. Wenn beispielsweise KI und ML den Großteil der arbeitsintensiven und Routine-Aufgaben übernehmen, rechnen 51 % der Befragten künftig mit einem steigenden Bedarf an spezialisierten Fachkräften (siehe: „Die Ära der Spezialisten“). Zudem sagen 42 %, dass Fachkräfte ein besseres Technologieverständnis benötigen werden, um wichtige Lösungsansätze wie KI, ML und RPA sowie Business Intelligence und Business Analytics optimal einzubringen.
Viele operativ fokussierte Abteilungen werden voraussichtlich ebenfalls kaum wiederzuerkennen sein oder gar komplett verschwinden. Aufgrund der immer größeren Bedeutung von unternehmerischer Stabilität gehen 61 % der Befragten davon aus, dass sich das operative Geschäft, die IT und die Strategieabteilung stärker vernetzen werden – 28 % erwarten sogar eine Konsolidierung und Verschmelzung der Abteilungen. Im Zuge dessen werden operative Entscheidungen dann wohl auch von Führungskräften aus anderen Abteilungen getroffen werden – so die Vorhersage von etwa 20 % der Befragten –, wenn digitale Technologien den Zugriff auf die nötigen Unternehmens- und Abteilungsdaten bieten.
„Mit Blick auf organisatorische Strukturen sind wir dank der digitalen Transformation im Unternehmen näher zusammengerückt“, so ein COO aus dem Finanzwesen, der an der Pega-Studie teilgenommen hat. „Jetzt läuft alles transparenter ab. Alle arbeiten enger zusammen.“
Besonders wichtig bei einer solchen intensivierten Zusammenarbeit sind unternehmensweite Initiativen für einen exzellenten Kundenservice. Automatisierte Technologien werden dabei zweifelsohne hilfreich sein. Die Befragten scheinen jedoch davor zu warnen, sich allzu stark auf KI und ML zu verlassen. Stattdessen empfehlen sie eine ausgewogene Balance zwischen Technologie und menschlicher Expertise.

Tatsächlich verweisen die Befragten in der Pega-Studie auf das Differenzierungspotenzial von Unternehmen, die wieder den Menschen statt der Maschine in den Mittelpunkt ihrer Geschäfte rücken. Das wäre ein Schritt in eine vollkommen andere Richtung. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren stark auf neue Technologien wie KI oder ML gesetzt und daraus auch keinen Hehl gemacht. Doch den Befragten zufolge sollte die Automatisierung Menschen nur unterstützen und nicht ersetzen.
„Es stellt sich die Frage, ob Betriebsabläufe komplett ohne menschliches Eingreifen funktionieren können,“ gibt ein COO aus dem Gesundheitswesen bei der Pega-Studie zu bedenken. „Für den Gesundheitssektor ist die Antwort ein klares Nein. Allerdings schätze ich, dass gut und gern 50 % der klassischen Prozesse in unserer Branche digitalisiert werden können und auch ohne Mitarbeiter gut funktionieren.“
Auch Fertigungsunternehmen und Lieferketten – die von der Pandemie schwer getroffen wurden – müssen ihre betriebliche Stabilität verbessern. Da sich Produkte in den letzten Jahren nicht einheitlich fertigen, geschweige denn ausliefern ließen, haben Hersteller Lean-Production-Modelle verworfen, bei denen quasi ohne Lagerhaltung nur für die unmittelbare Nachfrage gefertigt wurden. Jetzt streben 54 % der Befragten nach der Automatisierung von Lieferketten und Logistikabläufen, um potenziellen Störungen besser vorzubeugen.
„Stabilität als Schutz vor Störungen wird zum Leitmotiv für Führungskräfte in allen Branchen“, prophezeit Schuerman. „Wenn die Pandemie die Geschäftswelt eines gelehrt hat, dann dass man stets das Unerwartete erwarten muss. Die Frage ist nicht, ob ein unwahrscheinlicher Fall eintritt, sondern wann. Geschäftsführer und operative Führungskräfte müssen alle erdenklichen Maßnahmen ergreifen, um komplexe Abläufe zu vereinfachen und ihre Unternehmen auf eine ungewisse Zukunft vorzubereiten.“