

Spitzenpersonal in der Technologiebranche mit Inklusivität gewinnen
Unternehmen haben es schwer, Talente im technischen Bereich zu finden und zu binden. Eine vielfältige Belegschaft ist der Schlüssel zu diesem Ziel.

In ihrer ersten Woche als Produktvermarkterin für ein Technologie-Startup im Silicon Valley erhielt Adriana Gascoigne eine besorgniserregende E-Mail. Sie stammte von einem der leitenden Ingenieure des Unternehmens. Darin schwärmte er detailliert über ihr Aussehen und ihren Geruch und wie er mit ihr zusammen sein möchte – eine Nachricht, die so unangemessen war, dass Gascoigne zunächst annahm, es handele sich bei der E-Mail um Spam.
„Das war nur der Anfang einer ganzen Reihe von Vorfällen“, erzählt sie.
In den folgenden Wochen und Monaten erlebte Gascoigne weitere sexuelle Belästigungen, Beschimpfungen und einen herablassenden Vorgesetzten, der sie für zu sensibel hielt, als sie diese Probleme ansprach.
„Das war kein angenehmes Arbeitsumfeld für vielfältige Menschengruppen – und schon gar nicht für Frauen“, sagt sie. „Ich hielt das für normal und dachte, dass ich damit klarkommen und es aushalten müsse. Allerdings machte mich das traurig, denn ich kannte viele andere Menschen, denen es genauso ging.“

„Ich hielt das für normal und dachte, dass ich damit klarkommen und es aushalten müsse.“
Diese bittere Erkenntnis inspirierte Gascoigne zur Gründung von Girls in Tech (auf Englisch), einer globalen gemeinnützigen Organisation, die sich der Förderung einer vielfältigen und inklusiven Belegschaft im Technologiebereich widmet. Mit Online- und Präsenzkursen und -schulungen will Girls in Tech Frauen stärken, ausbilden und sie bei der beruflichen Entwicklung sowie bei Bildungs- und Stellenangeboten unterstützen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2007 ist die Gruppe auf mehr als 80.000 Mitglieder in 55 Ortsgruppen in 38 Ländern angewachsen.
Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equity, Inclusion, DEI) gehören heute zu den wichtigsten Themen, mit denen sich Tech-Unternehmen auseinandersetzen müssen, so der Forschungsbericht Die Zukunft der IT von Pega. Zwar mache die Technologiebranche nur langsam Fortschritte, so Gascoigne, doch die Vorteile für Unternehmen, die bereits auf dem richtigen Weg sind, seien von unschätzbarem Wert.
Das belegt die Statistik. Unternehmen, die sich auf ethnische und kulturelle Vielfalt konzentrieren, erzielen laut McKinsey mit 33 % höherer Wahrscheinlichkeit eine bessere Rentabilität, während Unternehmen mit vielfältigen Managementteams 19 % mehr Umsatz erzielen, so die Boston Consulting Group. Mehr noch: Organisationsteams, die sich auf Vielfalt und Inklusion konzentrieren, weisen laut Deloitte in der Regel die höchste Motivation auf, und laut Harvard Business Review lösen vielfältige Teams Probleme schneller als Teams mit kognitiv ähnlichen Personen.
Doch trotz dieser unbestreitbaren Vorteile haben viele Technologieunternehmen große Mühe, sich in diesen Bereichen zu verbessern. Beispielsweise hat Google die Zahl der Frauen in seiner Belegschaft zwischen 2014 und 2020 von 30 % auf nur 32 % erhöht. Auch bei Facebook ist der Frauenanteil in der Belegschaft nur schleppend gestiegen, und zwar im gleichen Zeitraum von 31 % auf 37 %.
Möglicherweise liegt es daran, dass es schwierig sein kann, DEI-Verbesserungen zu erzielen. Die erforderlichen Gespräche zu führen, kann schwierig sein. „Viele Menschen wollen nicht darüber sprechen, oft aus Angst, etwas Falsches zu sagen“, so Gascoigne. Führungskräfte geraten unter Druck, weil sie wissen, wie wichtig DEI ist.
„Sie sagen, dass sie all diese verschiedenen Strategien und Ideen umsetzen müssen, um DEI-konform sind. Sie gehen sogar so weit, Leute einzustellen, die für die jeweilige Funktion eher weniger geeignet sind, was zu Kontroversen und Konflikten innerhalb der Unternehmen führt“, erklärt Gascoigne.
DEI in Unternehmen zu verbessern, ist ein langwieriger Prozess. Sie können jedoch einige Dinge umsetzen, um Fortschritte zu erzielen. Für Gascoigne beginnt dies mit einem Audit, um eine Vielzahl von Faktoren zu erfassen, darunter auch zu schließende Lücken, um ein besseres Arbeitsumfeld zu schaffen. Unternehmen sollten ihre Richtlinien durchgängig auf Möglichkeiten zur Verbesserung von Vielfalt und Integration prüfen, sich auf eine Agenda festlegen und sicherstellen, dass diese Agenda im gesamten Unternehmen verbreitet wird. Außerdem sollten sie Schulungen für Führungskräfte, Mentoren- und Patenschaftsprogramme sowie Employee Resource Groups einführen.
Es mag ein harter, aber auch ein lohnender und produktiver Weg sein, wie Gascoigne aus erster Hand erfahren hat. „Unternehmen stellen jetzt DEI-Führungskräfte ein und nehmen sich selbst in die Pflicht“, erklärt sie. „Der Wandel vollzieht sich, wenn auch langsam. Die Zahl der Frauen in der Tech-Branche nimmt zu – nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt – und es ist wirklich spannend, diese Entwicklung zu beobachten.“

„Der Wandel vollzieht sich, wenn auch langsam. Die Zahl der Frauen in der Tech-Branche nimmt zu – nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt – und es ist wirklich spannend, diese Entwicklung zu beobachten.“
Um die Dinge voranzutreiben, bereitet sich Gascoigne auf ein arbeitsreiches Jahr 2022 mit neuen Programmen, Bootcamps zum Aufbau von Kompetenzen, E-Learning-Möglichkeiten, Hackathons, Mentorenprogrammen und Präsenzveranstaltungen vor.
„Wir sind stolz darauf, nicht nur für unsere Mitglieder, sondern auch für Unternehmen, Institutionen, Behörden und Mediennetzwerke eine Community aufzubauen, die gemeinsam an der Schaffung einer besseren Arbeitskultur arbeitet, in denen es keine Lücken bei Gleichberechtigung, Inklusion und Vielfalt gibt“, fügt sie hinzu. „Für diese Programme braucht es nicht nur Einzelpersonen, und wir machen Fortschritte.“