

Gerechtere Gesundheitsversorgung mit moderner Technologie

In meiner Kindheit in Haiti habe ich oft erlebt, welches Leid ein Gesundheitssystem verursacht, das nicht allen Menschen gleichermaßen zugänglich ist. Als praktizierende Ärztin beobachte ich dieselben Probleme nun auch in den USA und in anderen Ländern.
Dabei wäre das vermeidbar: Moderne Technologien sind wie geschaffen dafür, solches Leid und Ungerechtigkeiten im Gesundheitswesen zu verringern. Man denke nur an die rasante Umstellung auf Telemedizin während der Pandemie. Über Videokonferenzen erhielten auf einmal auch die Patienten schnell medizinischen Rat, die ans Haus gebunden waren und nicht ohne Weiteres eine Arztpraxis aufsuchen konnten. Auch für Arztpraxen und andere Gesundheitsdienstleister war diese Entwicklung von Vorteil: Es gab weniger Leerlauf wegen Terminabsagen und es konnten einfacher neue Patienten angenommen werden, für die wegen persönlicher Mobilitätseinschränkungen ein Termin in der Praxis nicht in Frage kam.
Allerdings ist auch die Telemedizin noch kein Garant für eine lückenlose Gleichbehandlung. Kommunale Gesundheitszentren in den USA zum Beispiel behandeln eigentlich jeden – unabhängig davon, ob die Person krankenversichert ist und sich die Kosten leisten kann –, doch Menschen ohne Breitband-Internetzugang oder einen Computer können dieses Angebot nicht wahrnehmen. Bleiben bei der Gestaltung einer technologiegestützten Gesundheitsversorgung die zukünftigen Nutzer und potenzielle Barrieren unberücksichtigt, könnte sich die Ungleichheit sogar noch verstärken. Dies betrifft vor allem ältere und wenig technikaffine Menschen sowie diejenigen, deren Muttersprache von einer App nicht unterstützt wird, die beim Lernen Hilfe benötigen oder die sich keine digitalen Geräte leisten können.

Bleiben bei der Gestaltung einer technologiegestützten Gesundheitsversorgung die Vielfalt der zukünftigen Nutzer und potenzielle Barrieren unberücksichtigt, könnte sich die Ungleichheit sogar noch verstärken.
Um diesen Problemen zu begegnen, könnte man beispielsweise gezielt Gesundheitsdienstleister fördern, die sich schon jetzt besonders für die Gleichbehandlung aller Menschen engagieren. Die nächste Generation an Business- und Hightech-Führungskräften muss sicherstellen, dass ihre Teams in kultureller, geschlechtlicher und neurobiologischer Hinsicht heterogen zusammengesetzt sind. Systeme müssen nicht nur für die Nutzer, sondern gemeinsam mit den Nutzern gestaltet werden. Diese Herangehensweise fördert sowohl die betriebliche Effizienz als auch die Reichweite.
Damit ein solches Vorhaben von Erfolg gekrönt ist, sollten wichtige Fragen beantwortet werden, zum Beispiel: Ist das System für blinde Menschen zugänglich? Wie kann jemand mit eingeschränkter Sehfähigkeit Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten? Und was ist, wenn jemand 20 km zurücklegen müsste, um ein Arzneimittel, eine Behandlung oder eine andere Gesundheitsleistung zu erhalten? Nehmen wir zum Beispiel einen nach Stunden abrechnenden Maler, der durch die Hin- und Rückfahrt bei einem Arzttermin die halben Tageseinnahmen verlöre.
Können wir ein Tool entwickeln, das diese Hürden eliminiert, weniger Bandbreite als die Telemedizin erfordert, mehr Patienten erreicht und obendrein Abläufe im Gesundheitswesen effizienter gestaltet? Eine solche Lösung würde den Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtern und damit Millionen von Menschen eine bessere und vor allem gleichwertige Behandlung eröffnen.

Können wir ein Tool entwickeln, das diese Hürden eliminiert, weniger Bandbreite als die Telemedizin erfordert, mehr Patienten erreicht und obendrein Abläufe im Gesundheitswesen effizienter gestaltet?
Auch Geldgeber erkennen zunehmend, dass Vielfalt bei vielen Fördergeldern und Investitionen keine Rolle spielt. An diesem Status quo muss sich dringend etwas ändern. Solange Lösungen von Teams entwickelt werden, in denen soziale Randgruppen oder Minderheiten nicht vertreten sind, werden wir bestehende Ungleichheiten nicht lösen können. Öffentliche und private Geldgeber sollten sich besser auf die Gesundheitsdienstleister konzentrieren, die bereits erfolgreich diese Richtung eingeschlagen haben. Handelt es sich um Investitionen in private Einrichtungen, wäre ein diverses Portfolio sinnvoll – denn talentierte Fachkräfte gibt es wahrlich genug.
Ich befasse mich seit zwei Jahrzehnten mit Technologien für das Gesundheitswesen und bestehenden Ungleichheiten, auch in meiner derzeitigen Funktion als Leiterin des Center of Community Health and Health Equity. Wir sehen täglich, welches enorme Potenzial für technologisches Wachstum und Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung besteht. Ich bin da ganz optimistisch und überzeugt, dass wir nachhaltige Lösungen entwickeln werden – wenn wir wirklich die Gleichheit bei der Gestaltung dieser Lösungen an erste Stelle stellen.